KNOETZL

Die Whistleblower-Richtlinie: Handlungsbedarf für Unternehmen

1 Ziel und Gegenstand der Richtlinie

Am 7.10.2019 wurde die sogenannte Whistleblower-RL (Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, „RL“) beschlossen. Bis spätestens 15. Mai 2021 ist sie von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Die RL enthält Mindestvorschriften, das heißt die Mitgliedstaaten dürfen auch günstigere Maßnahmen für Whistleblower vorsehen (Artikel 19).

Ziel der RL ist es, Whistleblower („Hinweisgeber“) zu schützen und dadurch Anreize zu setzen, Wissen über Missstände und Fehlverhalten zu offenbaren. Hinweisgeber sind Personen, die in ihrem Arbeitskontext Kenntnisse über Rechtsverstöße erhalten und diese Rechtsverstöße melden (Artikel 3 Ziffer 9 RL). Die RL basiert auf dem Grundgedanken, dass diese Insiderinformationen für Aufdeckung und Verfolgung von Rechtsverstößen eine wichtige Rolle spielen, potenzielle Hinweisgeber sie aber häufig aus Angst vor Repressalien und beruflichen und persönlichen Nachteilen für sich behalten.

Zu den geschützten Hinweisgebern gehören neben Arbeitnehmern beispielsweise auch Trainees, Organmitglieder einer Gesellschaft sowie Mitarbeiter von Zulieferern und Auftragnehmern (Artikel 2 RL). Erfasst werden Rechtsverstöße in besonders brisanten Politikbereichen, wie öffentliches Auftragswesen, Geldwäsche, Produkt-, Lebensmittel- und Verkehrssicherheit, nukleare Sicherheit, öffentliche Gesundheit, Verbraucher- und Datenschutz (Artikel 1 RL)

2 Maßnahmen zum Schutz von Whistleblowern

Die RL schützt Hinweisgeber unter zwei Voraussetzungen:

  • Erstens müssen die Hinweisgeber redlich sein. Das bedeutet, dass sie aus gutem Grund von der Wahrheit ihrer brisanten Information ausgehen dürfen (Artikel 13 Absatz 1 RL).
  • Zweitens haben sie ein dreistufiges Meldesystem zu durchlaufen. Danach müssen sie zuerst interne Meldekanäle ausschöpfen. Wenn diese Kanäle nicht funktionieren, können sie bei den (von den Mitgliedstaaten zu benennenden) zuständigen Behörden Meldung erstatten oder als letztes Mittel an die Öffentlichkeit bzw. Medien gehen (Artikel 13 Absatz 2 RL).

Unternehmen sind verpflichtet, das Meldesystem der ersten Stufe einzurichten (Artikel 4 f RL); die Mitgliedstaaten selbst sind für das Meldesystem der zweiten Stufe (bei Behörden) verantwortlich (Artikel 6 ff RL).

Für jene redlichen Hinweisgeber, die sich an dieses dreistufige Meldeprozedere halten, verbietet die RL jede Form von Repressalien, wie z.B. Suspendierung, Entlassung, Gehaltsminderung, Einschüchterung, Diskriminierung etc (Artikel 3 Ziffer 12 und Artikel 14).

Sichergestellt wird dieser Schutz vor Repressalien unter anderem durch folgende Maßnahmen (Artikel 15): Die Mitgliedstaaten müssen über den Schutz von Hinweisgebern ausreichend informieren und Beratungen für Opfer von Repressalien sicherstellen. Zudem ist eine Beweislastumkehr vorgesehen: Kann der Hinweisgeber glaubhaft machen, dass eine Benachteiligung oder sonstige negative Maßnahme gegen ihn aufgrund seiner Meldung oder Offenlegung erfolgte, obliegt es der anderen Person (regelmäßig dem Arbeitgeber) nachzuweisen, dass die Benachteiligung nicht aufgrund der Meldung erfolgte, sondern ausschließlich aus anderen Gründen. Die Mitgliedstaaten müssen angemessene Abhilfemaßnahmen gegen Repressalien gewähren, wie etwa einstweilige Verfügungen. Außerdem sind Hinweisgeber, die gegen gesetzliche oder vertragliche Offenlegungsbeschränkungen verstoßen, von der Haftung ausgenommen.

3 Handlungsbedarf für Unternehmen

Welcher Handlungsbedarf ergibt sich aus der RL für Unternehmen?

Unmittelbarer Handlungsbedarf besteht in der Einrichtung interner Meldekanäle (Artikel 4 RL). Dazu sind gemäß RL alle jene Unternehmen verpflichtet,

  • die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen oder
  • deren Jahresumsatz EUR 10 Millionen übersteigt.

Klein- und Kleinstunternehmen, die diese Schwellwerte nicht erreichen, werden nur im Bereich von Finanzdienstleistungen erfasst (Artikel 4 Absatz 3 RL), wobei in diesem Bereich ohnehin schon jetzt Schutzvorschriften für Whistleblower bestehen. Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, auch andere Unternehmen zur Einrichtung von Meldekanälen zu verpflichten (Artikel 4 Absatz 4 RL)

Die intern einzurichtenden Meldekanäle müssen folgende Anforderungen erfüllen (Artikel 5 RL):

  • Im Unternehmen muss eine zur Untersuchung von Hinweisen zuständige Person / Abteilung bestimmt werden.
  • Die Identität des Hinweisgebers muss vertraulich behandelt werden.
  • Nicht befugte Mitarbeiter dürfen keinen Zugriff auf die Meldekanäle haben.
  • Es ist eine sorgfältige Untersuchung von Hinweisen sicherzustellen.
  • Über das eingerichtete Meldesystem und den Schutz der Hinweisgeber müssen klare und leicht zugängliche Informationen zur Verfügung gestellt werden
  • Meldungen sollen in schriftlicher und mündlicher Form erstattet werden können.
  • Der Hinweisgeber muss über Untersuchungen und Folgemaßnahmen innerhalb von maximal drei Monaten informiert werden.

4 Rechtsfolgen und Sanktionen bei Verstößen

Wenn ein Unternehmen keine adäquaten internen Meldekanäle einführt, dann erhält ein Hinweisgeber auch dann vollen Schutz vor Repressalien, wenn er sich direkt an Behörden und/oder die Öffentlichkeit wendet und nicht zuvor interne Meldekanäle nutzt.

Zudem kann einer Gesellschaft dadurch, dass ein Hinweisgeber mangels funktionierender interner Meldekanäle sofort an die Öffentlichkeit geht, ein Schaden entstehen. Die Geschäftsführung könnte für diesen Schaden haftbar gemacht werden.

Darüber hinaus verpflichtet die RL (Artikel 17 RL) die Mitgliedstaten dazu, angemessene und abschreckende Sanktionen für alle juristischen und natürlichen Personen festzulegen, die

  • Meldungen behindern,
  • Repressalien gegen Hinweisgeber ergreifen,
  • mutwillige Gerichtsverfahren gegen Hinweisgeber anstrengen oder
  • die Vertraulichkeit der Identität von Hinweisgebern verletzen.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Bettina Knötzl oder Judith Schacherreiter.