KNOETZL

 „Macht braucht Kontrolle“, und „Gelegenheit macht Diebe“ erklärt Bettina Knötzl im Ö1 Mittagsjournal. Sie fordert für Krisensituationen frühe Kontrollen.

Der gestern bekannt gewordene Rohbericht des Rechnungshofs kritisiert die für die Verteilung der milliardenschweren CoV-Hilfen zuständige Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG), stark. Unverhältnismäßig-hohe Beraterkosten, intransparente Vergabe von Förderungen und vermeintlicher Postenschacher stehen im Raum. „Unzureichend und verbesserungswürdig“, so der RH über die gesetzliche Konstruktion der COFAG.

Um den Rohbericht des RH für die Öffentlichkeit juristisch zu entflechten, wurde KNOETZL Partnerin Bettina Knötzl, in ihrer Rolle als Präsidentin des Austrian Chapter von Transparency International, im Ö1 Mittagsjournal am 11.08.2022 von Moderatorin Christine Thönicke-Frenkenberger interviewt.

Bis 18.8.2022 können Sie das Interview hier nachhören: https://oe1.orf.at/player/20220811/687301/1660212307000

Transkript (sinngemäß):

Christine Thönicke-Frenkenberger: Die COFAG ist in einer außergewöhnlichen Situation entstanden, hat sich der ehemalige COFAG Geschäftsführer Perner heute im Morgenjournal verteidigt. Alles hätte schnell gehen müssen. Der Chef der Finanzprokuratur Peschorn entgegnet dem sinngemäß – so eilig sei es auch nicht wieder gewesen. Inwiefern kann der Faktor Zeit hier ein Rechtfertigungsgrund sein?

Bettina Knötzl: Natürlich verlangen Krisensituationen auch gelegentlich abweichende Reaktionen. Aber ganz grundsätzlich mit den Augen des Steuerzahlers gefragt: Warum muss hier überhaupt eine ad hoc Gesellschaft gegründet werden? Steht da das Bestreben dahinter, die üblichen Kontrollen auszuhebeln? Da ist wichtig zu bedenken – Macht braucht Kontrolle. Wenn ich das vielleicht kurz erklären darf? Mit einem Bild gesprochen: das sogenannte Betrugsdreieck. Da gibt es drei Ecken, dh Faktoren, die Menschen dazu bringen, vom rechten Weg abzukommen. Das erste ist der Druck. Je grösser der Druck ist, desto eher passiert das. Das zweite ist die Rechtfertigung, das ist die moralische Rechtfertigung, die jeder Mensch braucht, um vom rechten Weg abzukommen, damit er sich noch in den Spiegel schauen kann. Rechtfertigung in einer Krise ist dann, es muss alles schnell gehen, aber ich komme dann noch dazu. Der dritte Punkt ist die Gelegenheit.

Christine Thönicke-Frenkenberger: Sie sehen alle Punkte als gegeben?

Bettina Knötzl: Druck ist gegeben. Natürlich, die Politik muss reagieren. Rechtfertigung hören wir jetzt auch: Es muss alles schnell gehen. Und das Dritte ist die Gelegenheit. Und wir können gerade in einer Krise (letztendlich als Steuerzahler oder, wie wir unsere Systeme einführen) bei der Gelegenheit gut ansetzen. Die muss so klein wie möglich sein. Gelegenheit macht Diebe. Ganz wichtig ist, die Gelegenheit klein zu halten / möglichst wenig Gelegenheit zulassen. Das heißt frühe Kontrollen möglich machen. DurchAuslagerungen geht es leichter, diese Kontrollen auszuhebeln.

Christine Thönicke-Frenkenberger: Warum ist das so einfach möglich gewesen?

Bettina Knötzl: Grundsätzlich werden natürlich in einer Krise die Akteure schneller sein als die Kontrollmechanismen. Da müssen wir auch in-die-Zukunft-schauend ansetzen. Man muss die Kritik des Rechnungshofs – der Rechungshofpräsidentin – hören. Wir müssen schneller und früher agieren und es wird sie nicht wundern, als Transparency International, sage ich: man muss auch gerade in solchen Krisensituationen die Transparenz erhöhen. In Zeiten wie diesen, wo wir die Digitalisierung haben, ist es relativ einfach auch die Transparenz zu erhöhen. Das sind drei wesentliche Punkte, die ich glaube, müssen wir jetzt lernen aus dieser Krise und versuchen in der nächsten Krise anders zu sehen, weil wir als Steuerzahler immer die Leidtragenden aus den Fehlern sind.

Systemisch auch nochmal angesprochen, vielleicht auch noch ein ganz wichtiger Punkt: Angekommen in den Köpfen ist wohl, dass Schmiergeld etwas ist, was wir nicht wollen als Steuerzahler. Was aber glaube ich noch weniger angekommen ist, ist das Thema Postenschacher und Interessenskonflikte.

Christine Thönicke-Frenkenberger: Inwieweit verorten sind denn in diesem Fall Postschacher und Korruption?

Bettina Knötzl: Aus Sicht von Transparency International versuchen wir grundsätzlich als Zivilgesellschaft eine Verbesserung der Systeme zu erreichen. Und wir sehen einfach regelmäßig, dass etwa Ausschreibungen hingezimmert werden / maßgeschneidert werden auf bestimmte Personen, damit die dann auch tatsächlich diesen Posten bekommen. Das ist wirklich nicht im Sinne des Erfinders. Das ist unerträglich. Das gehört abgestellt.

Christine Thönicke-Frenkenberger: Laut Rohbericht hat das Kabinett des damaligen Finanzministers Gernot Blümel die Entscheidungen getroffen mit einer kleinen Gruppe von Personen. Wie hätte das transparent ablaufen müssen?

Bettina Knötzl: Wir haben an und für sich für Ausschreibungen gute Gesetze. Tatsächlich wenn man diese beachtet und auch eben darauf achtet (Das ist eben auch eine ganz große Schwachstelle der Ausschreibungen), dass nicht im Vorfeld die Ausschreibungsbedingungen schon so hingezimmert werden, dass sie dann idealerweise nur auf eine Person zutreffen, dann erzielen wir auch die richtigen Ergebnisse. In einer Situation, wo alles so schnell gehen muss wie in einer Krise, hinkt unser System derzeit einfach nach. Es ist sehr unbefriedigend, wenn wir dann Jahre danach, oder doch Monate später, vom Rechnungshof lesen, was falsch gelaufen ist. Wir müssen dafür sorgen, dass viel früher unsere Kontrollmechanismen eingreifen können.

Christine Thönicke-Frenkenberger: Frühere Kontrollmechanismen, sagt die Präsidentin von Transparency International, Bettina Knötzl. Danke für das Gespräch und einen guten Tag.

Bettina Knötzl: Dankeschön!