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Anonyme Hinweisgeber:innen, sgn „Whistleblower“, erhalten Schutz in Österreich: Das HinweisgeberInnenschutzG ist da!

Bild: Drew Beamer unsplash.com

Österreich hat sich viel Zeit gelassen; so viel Zeit, dass die EU ein Gesetzesverletzungsverfahren einleiten musste, um die Regierung in die Gänge zu bringen. Jetzt wurde das Gesetz endlich verabschiedet. Das HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) ist im BGBl I 6/2023 veröffentlicht worden und tritt am 25.2.2023 in Kraft. Es wirft noch etliche Fragen auf und lässt viel versprechen. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über das Gesetz und über den akuten Handlungsbedarf, der sich für Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten ergibt.

1. Orientierung an der EU Richtline

Wer die Whistleblower-RL (RL 2019/1937/EU) kennt, findet im vorliegenden Entwurf viel Vertrautes. Wenig überraschendes. Nur die 30-jährige (!) Aufbewahrungsfrist erhitzt die Gemüter, die die Praktikabilität dieser Bestimmung angesichts des laufenden Technologiefortschrittes massiv in Zweifel ziehen.

Nomen est Omen. Schon mit seinem – etwas langen – Namen erläutert der Gesetzgeber, was Inhalt des „HSchG“: Bundesgesetz über das Verfahren und den Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen in bestimmten Rechtsbereichen (Hinweisgeberschutzgesetz – HSchG).

2. Überblick über den Inhalt des HSchG

Das Gesetz ist in 4 Hauptstücke gegliedert.  Der folgende Überblick orientiert sich am Aufbau des Entwurfs:

2.1. Allgemeine Bestimmungen
2.2. Interne Stellen – Externe Stellen – Veröffentlichung
2.3. Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen
2.4. Strafbestimmungen

2.1 Allgemeine Bestimmungen

2.1.1 Geltungsbereich

Das HSchG soll für Unternehmen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit 50 oder mehr Beschäftigten und für bestimmte Rechtsverletzungen (inkl. EU Recht) gelten (§ 3 Abs 1).

Nicht nur Arbeitnehmer:innen und Bewerber:innen sowie selbständig Erwerbstätige oder Organmitglieder sollen als Schutzobjekt erfasst sein, sondern auch Subunternehmer:innen und Lieferanten:innen (§ 2).

Der Katalog der Normen, deren Verletzung einen geschützten Hinweis erlauben, ist breit. Aus Sicht der Praxis ist in dem Zusammenhang derzeit unklar, was gilt, wenn dem Hinweis keine solche Rechtsverletzung zugrunde liegt, aber dennoch für den Unternehmen aus anderen Pflichten (etwa aus der Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmer:innen heraus), einem solchen Hinweis nachzugehen ist.

Geregelt ist ua. auch, welche Informationen nicht geschützt werden, dazu zählen insb. Informationen, die durch eine berufliche Verschwiegenheitsverpflichtung geschützt sind, wie jene vom Recht der Rechtsanwälte oder Gesundheitsberufe u.a. Bestimmte Regelungen sind ausgenommen. Im Übrigen ist das Gesetz zwingendes Recht (§ 4 Abs 4).

2.1.2 Schutz der Hinweisgeber:innen

Um schutzwürdig zu sein, muss eine Hinweisgeber:in hinreichende Gründe haben, annehmen zu können, dass ihre Hinweise wahr sind und in den Geltungsbereich des HSchG fallen. Die „und“-Verknüpfung könnte in der Praxis auf Schwierigkeiten stoßen, wenn eine Whistleblowing Hotline ausreichend beworben und tatsächlich gut angenommen wird. Noch ist nicht vorgesehen, dass der Schutz für redliche Hinweise immer greift.

Offenkundig falsche oder irreführende Hinweise können Schadenersatzansprüche begründen und ggf. gerichtlich oder als Verwaltungsübertretung verfolgt werden (§ 6 Abs 4).

Der Schutz von anonymen Hinweisgeber:innen greift, wenn ohne ihr Zutun die Identität bekannt wird (§ 6 Abs 3).

§ 7 ist das Herzstück des Schutzes der Identität von Hinweisgeber:innen. Den zuständigen Stellen wird eine strikte Verschwiegenheitspflicht auferlegt, deren Bruch mit Verwaltungsstrafen bedroht ist (sh § 24 Z 3). Unzuständige dürfen nur an die Zuständigen Informationen weitergeben. Die Identität darf erstens nur im Rahmen behördlicher Verfahren offengelegt werden, zweitens muss dies unerlässlich sein und drittens muss die Gefährdung verhältnismäßig sein (vgl. § 7 Abs 3).   Auch die von einem Hinweis betroffenen Personen werden durch eine Verschwiegenheitsverpflichtung samt geschützt.

Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten wird durch § 8 engmaschig reguliert. Daten, die nicht benötigt werden, dürfen nicht erhoben werden bzw. müssen sofort gelöscht werden. § 8 Abs 9 sieht eine 30-jährige und längere Aufbewahrungsfrist vor. Zu hoffen ist, dass diese im Begutachtungsverfahren noch deutlich verkürzt wird.

Im § 9 finden sich Bestimmungen die das Verfahren zur Dokumentation und Aufbewahrung von Hinweisen regeln. So ist etwa vor einer Aufzeichnung eines Telefonats oder einer genauen Transkription zwingend die Einwilligung iSd. DSGVO einzuholen. Gesprächsprotokolle sind, wenn möglich, zur Prüfung und Unterschrift vorzulegen.  Die Speicherung hat in einem vertraulichen, sicheren System zu erfolgen.

2.1.3 Bewerbung des HinweisgeberInnenschutzsystems

Einfacher Zugang zu klaren Informationen über die Möglichkeit und das Verfahren sind sicherzustellen. Für sogenannten „externe Stellen“ ist der Inhalt der Bewerbung auf deren Webseite im Detail vorgegeben. In der Praxis werden sich auch die „internen Stellen“ (darunter die Whistleblowing Systeme von Unternehmen) an dem Katalog des § 10 Abs 2 orientieren.

2.2 Interne Stellen – Externe Stellen – Veröffentlichung

Hinweisgeber:innen sollen Hinweise in erster Linie an interne Stellen geben. Nur wenn dies nicht möglich, nicht zweckmäßig, nicht zumutbar ist oder erfolglos bzw. aussichtlos war, soll eine externe Stelle befasst werden.

Interne Stellen sind jene, die innerhalb des Unternehmens bzw. des Rechtsträgers eingerichtet werden. Dazu dürfen ausdrücklich auch Dritte, wie etwa Rechtsanwälte, herangezogen werden (vgl § 12 Abs 4). KNOETZL bietet dieses Service allen deutsch- und englischsprachigen Unternehmen und Rechtsträgern an, die nach einem professionellen Hinweisgebersystem streben.

Externe Stellen sind einerseits das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung und anderseits die besonderen Stellen, wie etwa Finanzmarktaufsichtsbehörde oder die Geldwäschemeldestelle und andere internetbasierte Hinweisgebersysteme von Behörden und Kammern. 

Der Kern der Verpflichtungen für interne Stellen findet sich in § 12.  Die internen Stellen sind weisungsfrei einzurichten und personell so auszustatten, dass die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber:in und im Hinweis genannter Dritter gewahrt bleibt. Hinweise sind unparteilich und unvoreingenommen zu behandeln. Hinweise müssen sowohl schriftlich wie auch mündlich und in beiden Formen gegeben werden können. Auf Verlangen muss eine Zusammenkunft innerhalb von 14 Tagen ermöglicht werden.  Es bestehen strenge Untersuchungs- und Dokumentationspflichten.  Dabei besteht – im Einklang mit der RL – erheblicher Zeitdruck: In nur drei Monaten ist die Hinweisgeber:in zu informieren, welche Folgemaßnahmen ergriffen wurden und folgen werden oder aus welchen Gründen der Hinweis nicht weiterverfolgt wird. In der Praxis verlangen gerade diese Bestimmungen gemeinsam mit den Datenschutzbestimmungen nach einer begleitenden Betreuung durch eine Expert:in. Einschlägig erfahrene Rechtsanwälte, wie KNOETZL, bieten diese Service zu leistbaren Konditionen an.

Von besonderem Interesse für die Unternehmensleitung ist § 13. Geregelt wird, unter welchen Voraussetzungen die Unternehmensleitung in den Kreis der Geheimnisträger eingebunden werden darf. Ein begründeter Verdacht einer Rechtsverletzung zählt zu den Voraussetzungen. Im Umkehrschluss ist damit klar: Bei noch nicht begründetem Verdacht ist die Einbindung der Unternehmensleitung nicht erlaubt.

Das dritte Hauptstück beschäftigt sich mit den externen Stellen und ist somit für Unternehmen des Privatrechts nur insofern interessant, als die externen Stellen als Anlaufstelle dienen dürfen, wenn das System des Unternehmens versagt bzw. erst gar nicht eingerichtet ist. Ab 18.12.2023 wird dies nur für Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten zulässig sein.

Hervorsticht die Erlaubnis zur Veröffentlichung eines Hinweises. Neben Notsituationen u.ä. bzw. einer berechtigten Furcht vor Vergeltungsmaßnahmen bzw. der Unterdrückung des Hinweises durch die externe Stelle, gilt vor allem der ungenützte Fristablauf für die internen und externen Stellen als Rechtfertigung für die Veröffentlichung eines Hinweises.

Das bedeutet im Ergebnis, dass bei Einrichtung einer internen Stelle, die den Hinweis ordnungsgemäß verarbeitet, eine Veröffentlichung des Vorwurfs durch Hinweisgeber:innen mit gesetzlichem Schutz vor Repressalien nur in extremen Ausnahmesituationen (sh § 14 Abs 2 Z 1) denkbar ist.

2.3. Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen

Das Herzstück des Schutzes, den das HSchG bringen soll, ist in § 20 verankert. Vergeltungsmaßnahmen, wie Suspendierung, Kündigung, Versetzung, schlechte Beurteilung etc. bis hin zu Disziplinarmaßnahmen, sind rechtsunwirksam.  Die für bestimmte Maßnahmen Verantwortlichen werden zur Wiederherstellung des vorigen Zustands, Schadenersatz und Entschädigung für persönliche Beeinträchtigung verpflichtet. Zu diesen Maßnahmen zählen u.a. Diskriminierung, Einschüchterung, Mobbing oder Ausgrenzung. Auch die Nichtumwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten findet sich unter dem praxisnahen Katalog von Repressalien, die Whistleblower:innen typischerweise erleiden.

Für den Nachweis der Vergeltungsmaßnahmen bzw. den Gegenbeweis, dass ein anderes Motiv ausschlaggebend war, wird das Beweismaß auf „Glaubhaftmachung“ reduziert. Eine höhere Wahrscheinlichkeit genügt (§ 23).

Den externen Stellen wird eine Beratungsfunktion auferlegt, um den von Repressalien Betroffenen eine Rechtsverfolgung zu erleichtern. Ebenso steht Verfahrenshilfe zur Verfügung.

Ein zentraler Punkt des Schutzes ist die Befreiung von Haftungsansprüchen für redlich erstattete Hinweise. 

2.4. Strafbestimmungen

Um dem HSchG Biss zu verleihen, sind die zentralen Verpflichtungen strafbewährt. Umgekehrt begeht auch die Person, welche wissentlich einen falschen oder irreführenden Hinweis gibt, (zumindest) eine Verwaltungsübertretung. Wenn die Tat nicht durch andere Bestimmungen strenger bestraft ist, drohen EUR 20.000, im Wiederholungsfall EUR 40.000 an Verwaltungsstrafe.

3. Bedeutung für die Praxis

Alle Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten sind betroffen. Sie alle werden verpflichtet, ein Hinweisgebersystem einzurichten, das gesetzliche Anforderungen an Dokumentation, Datenschutz und Verschwiegenheit erfüllt, die idR nur mit einem professionellen System zu erreichen sind.

Die Einrichtung und Betreuung dieses Systems sollte von einer geschulten Expert:in begleitet werden, um eine Erfüllung der mannigfaltigen gesetzlichen Bestimmungen sicherzustellen. KNOETZL hat in der Vergangenheit solche Prozesse mehrfach begleitet und unterstützt Sie gerne mit Rat und Tat bei der Implementierung eines Systems, das zur Größe Ihres Unternehmens passt. Dabei achten wir mit einem geschulten Auge und Sinn für eine diskrete Alltagstauglichkeit auf eine effiziente, kostengünstige Lösung, die den verschiedensten Anforderungen Ihres Betriebs gerecht wird.

Weiterführende Informationen finden Sie auf der Service-Seite KNOETZL Whistleblowing Systems oder erhalten Sie von den KNOETZL Partnern Bettina Knötzl und Thomas Voppichler.